Initiative “Stolpersteine in Karben”
Stolpersteine in Burg-Gräfenrode
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Freihofstraße 1
Hier wohnte Alex, Recha und Klärchen Kirschberg...
Bericht der “Frankfurter Neue Presse” am 23.5.2011 (von Stefanie Sperling)
Vor ihrem Geburtshaus in der Freihofstraße
steht Clare Zweig vor ihrem "Stolperstein".
Fotos: Sperling
Nach zwölf Jahren besucht Clare Zweig, in ihrer
Heimat Burg-Gräfenrode besser bekannt als
Klärchen Kirschberg, erneut ihre Freunde in
Karben. Ihr Geburtshaus wollte die 88-jährige
Jüdin, die heute in den Vereinigten Staaten lebt,
noch einmal wiedersehen.
Die Koffer standen ja immer noch gepackt da",
berichtet Clare Zweig. Bereits im vergangenen
Jahr wollte die gebürtige Burg-Gräfenröderin
ihre Freunde in der Heimat besuchen und ihr
Geburtshaus in der Freihofstraße 1 noch einmal
sehen. "Dann erlitt mein Mann Arnold einen
Schlaganfall und starb wenig später", beschreibt
sie die traurige Wendung vor sieben Monaten.
Doch tapfer, wie die 88-Jährige es Zeit ihres
Lebens sein musste, stieg sie nun allein ins Flugzeug. Ein wenig erschöpfend sei das schon gewesen, gesteht die
rüstige Dame mit englischem Akzent. Wenn Clare Zweig über ihr Leben berichtet, tut sie das laut. Denn sie ist
inzwischen sehr schwerhörig. Lautstark aber sollte sie auch berichten.
Vor den Nazis geflohen
Ihre Geschichte ist die einer jungen Jüdin, die ihre Heimat in Flucht vor dem Nazi-Regime verließ. "Meine
Freundin, deren Vater Nazi war, hatte verboten bekommen, mit mir zu sprechen", erinnert sich Zweig und wird
dabei heute noch traurig. "Ich musste Deutschland verlassen."
Ihr Weg führte sie per Kindertransport im Alter von 16 Jahren mit rund 100 anderen Flüchtlingen erst nach
England. In die Vereinigten Staaten ging Clare schließlich, weil eine Cousine ihrer Mutter sie bat, zu ihr nach
Pittsburgh zu kommen. "Dort lernte ich meinen Mann Arnold kennen." Clare Zweigs Augen leuchten. "Beim
Tanzen. Nach sechs Monaten heirateten wir." Später zogen die beiden, inzwischen mit zwei Söhnen, ins
Städtchen Hollywood bei Miami in Florida, wo Klärchen noch heute lebt.
Über Recherchen im Zuge der Initiative "Stolpersteine in Karben" nahm deren Initiator Hartmut Polzer Kontakt
zum Ehepaar Zweig auf und verfilmte die Lebensgeschichte der gebürtigen Roggauerin (die FNP berichtet).
Auch Erika Adam-Hoffmann, der heute mit Ehemann Klaus das Haus in der Freihofstraße 1 gehört,
interessierte sich für die Hausbesitzer-Vorfahren.
"Sie haben das Haus so schön gemacht", ist Clare Zweig begeistert. "Hier war unser Laden", zeigt sie in das
Wohnzimmer. Denn Klärchen Kirchbergs Vater Alex hatte dort einst ein Manufakturwaren-Geschäft. Großvater
Nisan Schott hatte das Haus gekauft, vor dem heute drei Stolpersteine an die jüdischen Einwohner erinnern.
Vater und Mutter wurden 1941 nach Minsk deportiert und ermordet.
Vierte Reise in die Heimat
"Ich hatte mir geschworen, nie wieder nach Deutschland zu kommen", gesteht Clare Zweig. Ehemann Arnold,
der selbst als junger Pole Ausschwitz überlebte, überzeugte sie erstmals in 1985 zu einer Europareise. "Heute bin
ich das vierte Mal wieder hier."
Zehn Tage lang wird sie bei Christel und Werner Wagner in Burg-Gräfenrode wohnen. Deren Mutter war eine
gute Freundin von Recha Regina Kirschberg. "Später fahren wie nach Frankfurt", kündigt Clare an, "um auf
dem jüdischen Friedhof die Gedenktafeln meiner Großeltern zu besuchen."
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Weißenburgstraße 1
Hier wohnte die Familie Willi Löwenberg...
Bericht der “Frankfurter Neue Presse” am 8.8.2007
(von Susanne Krejcik)
Ferdinand Löwenberg, geboren am 12. Januar 1865,
handelte in der Weißenburgstraße 1 mit
Landprodukten und Eierwaren.
Er heiratete Hanna, geborene Jakob, deren Vater
Jakob Jakob in der Berliner Straße 18 einen
Gemischtwarenhandel betrieben hatte.
Ferdinand starb am 10. Oktober 1925 und ist
auf dem jüdischen Friedhof in Roggau am
Einsiedel- Wäldchen beerdigt. Der Friedhof,
auf dem sich heute noch rund 20 Grabsteine
befinden, entstand in seiner jetzigen Form
nach 1900. Zuvor hatten jüdische Bürger ihre
Verstorbenen im Einsiedelwäldchen
begraben. „Hier ruht in Gott“ lautet die
Inschrift auf Ferdinand Löwenbergs
Grabstein. Die exakten Geburts- und
Sterbedaten von Ehefrau Hanna gehen aus
den vorhandenen Unterlagen nicht hervor.
Als sicher gilt jedoch, dass Hanna Löwenberg
Anfang der 1930er-Jahre starb und als letzte
jüdische Bürgerin auf dem jüdischen Friedhof
in Roggau beerdigt wurde. Ihre jüngste
Schwester Frieda Jakob (Berliner Staße 18)
heiratete den in Bad Vilbel angesehenen Arzt
Dr. Ludwig Szametz, der ursprünglich aus
Ungarn stammte. Über Palästina gelang dem
Ehepaar Szametz die Flucht in die USA.
Hanna und Ferdinand Löwenberg hatten drei Söhne: Julius, Manfred und Willi. Manfred Löwenberg fiel als
deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg.
Willi Löwenberg wurde am 20. Mai 1899 in Roggau geboren. Mit Ehefrau Martel, geborene Salomon, die aus
Beerfelden im Odenwald stammte, lebte er in der Weißenburgstraße 1. Ihre Kinder Inge und Kurt wurden am 8.
Januar 1931 sowie am 4. Januar 1933 in Roggau geboren. Ihr drittes Kind, Tochter Judith, erblickte am 21.
März 1939 in Frankfurt das Licht der Welt. Nach Informationen der Initiative Stolpersteine wurde sie dort
geboren, weil zu diesem Zeitpunkt in Roggau für jüdische Frauen keine Geburtshilfe mehr möglich gewesen sei.
Im nächsten Jahr zog die Familie in die Fürstenberger Straße 141 im Frankfurter Nordend. Vor allem jüngere
Juden hätten in der Zeit nach den Pogromen von 1938 die kleinen Gemeinden Hessens verlassen, um
vermeintlichen Schutz in der Anonymität der Großstadt Frankfurt zu suchen, erklärt Monica Kingreen,
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt. Bereits vor dem Umzug in die Großstadt
hatten die Eltern ihre Kinder Inge und Kurt dort für einige Zeit im jüdischen Waisenhaus im Röderbergweg 87
untergebracht. Dies geschah, um den weiteren Schulbesuch der Kinder zu gewährleisten, was in Burg-
Gräfenrode zu dieser Zeit nicht mehr möglich war. Von dem vermeintlich sicheren Wohnort in Frankfurt wurde
die gesamte Familie am 19. Oktober 1941 ins Ghetto Lodz verschleppt und ermordet...
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Ilbenstädter Straße 10
Hier wohnte Dora und Margot Löwenberg...
Bericht der “Frankfurter Neue Presse” am 8.8.2007
(von Susanne Krejcik)
...Willis* Bruder Julius Löwenberg wohnte in der
Ilbenstädter Straße 10. Er war der letzte Vorsitzende
der jüdischen Gemeinde Roggaus, die seit 1740/1750
bestand und im Jahr 1927 aufgelöst wurde. Sein
früher Tod am 2. Dezember 1928 im Alter von 34
Jahren wird in den vorliegenden Quellen mit einer
Kriegsverletzung aus dem Ersten Weltkrieg in
Verbindung gebracht. Sein Grabstein findet sich auf
dem Roggauer jüdischen Friedhof neben dem seines
Vaters Ferdinand.
Mit Ehefrau Dora Rosa, geborene Hessenberger, hatte Julius die beiden
Töchter Rosel und Margot. Mutter Dora Rosa und Tochter Margot Löwenberg
wurden aus der Schwanenstraße 22 in Frankfurt, wohin sie zunächst gezogen
waren, ins Ghetto Kaunas nach Litauen deportiert und ermordet. Tochter
Rosel ist die einzige Überlebende der Familien Julius und Willi Löwenberg, da
sie im Alter von 16 Jahren in die USA auswanderte.
*(Willi Löwenberg in der Weißenburgstraße 1. Die Website-Red.)
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Berliner Straße 18
Hier wohnte Lina Jakob...
Auf der Berliner Straße 18, rechts neben dem Rathaus
liegend, befindet sich das Anwesen der Familie Jakob, die
einen Gemischtwarenhandel betrieb. Jakob, Jakob, (geb am
12.1.1847 in ?), verstarb am 26.05.1914. Seine Frau
Bettyne (?), geborene Schott (geb am 27.7.1843) verstarb
am 03.03.1908. Beide Eheleute sind auf dem jüdischen
Friedhof in Burg-Gräfenrode begraben.
Tochter Lina, geboren am 18.12.1878) wohnte bis Ende
1938 im Elternhaus und floh am 1.Januar 1939 nach
Frankfurt in die Schwanenstraße 22 (Volkszählung
17.5.1939). Sie wurde von dort am 22.November 1941 nach
Kaunas deportiert.
In Kaunas werden die Menschen am 25. November 1941 in Gruppen von etwa 80 Personen zunächst zum
„Morgensport“ in die eiskalte Luft gejagt. Im Dauerlauf müssen sie in bereits von russischen Kriegsgefangenen
ausgehobene Gruben außerhalb der Umfassungsmauer des Forts laufen. Plötzlich wird aus den bewaldeten
Hügeln das Feuer aus Maschinengewehren eröffnet. Ohne Kontrolle, ob die Opfer tatsächlich tot sind, werden die
Gruben zugeschüttet. Leicht oder gar nicht Verletzte werden lebendig begraben. Keiner der aus Frankfurt
Verschleppten entgeht diesem Massaker.
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Stolperstein-Verlegung am 14. Febr. 2009 in der Freihofstraße