Initiative “Stolpersteine in Karben”
Stolpersteine in Gr.-Karben: Parkstraße, Wilhelmstraße,
Heldenberger Straße und Wächtergasse
Parkstraße 1
Hier wohnte Sophie, Emilie und Lina Grünebaum...
Bericht der “Frankfurter Neue Presse” am 20.10.2007 (von Susanne Krejcik)
Hier ruht in Frieden unser lieber Gatte und Vater Abraham Grünebaum. So lautet die gut lesbare Inschrift des Grabsteines auf
dem jüdischen Friedhof am Ortsausgang von Groß-Karben. Abraham Grünebaum wurde am 7. Dezember 1811 in Groß-Karben
geboren und starb am 12. Juli 1904. Gemeinsam mit seiner Ehefrau, über die keinerlei Angaben vorliegen, hatte er fünf Kinder:
Michael, Max sowie Sophie, Emilie und Lina. Auch über Michael liegen keine weiteren Angaben vor. Sophie wurde am 22. März
1858, Emilie am 17. Juli 1860, Lina am 31. März 1864 und Bruder Max Grünebaum am 11. März 1871 in Groß-Karben geboren.
Die Schwestern Sophie, Emilie und Lina Grünebaum blieben unverheiratet. Sie wohnten zusammen in der Parkstraße 1 (früher
Schulstraße) und wurden von ihrem jüngeren
Bruder Max unterstützt, der in der
Bahnhofstraße 20 in Groß-Karben einen
Kartoffelhandel betrieb. Er heiratete Rosa,
geborene Oppenheimer, die aus Klein-Heubach in
der Nähe von Würzburg stammte. Am 27.
September 1910 kam Tochter Beate zur Welt.
Max Grünebaum wurde „Deiches Max“ gerufen,
und das Haus der drei Schwestern in der
Parkstraße nannte man im Volksmund
„Dreimädelhaus“.
Marie Biermann (geb. Schichtel) arbeitete
damals bei Familie Max Grünebaum. Sie gab
auch ihrer Tochter den Namen Beate. Max starb
am 10. Juni 1934. Da es zunehmend schwieriger
wurde, bei jüdischen Familien zu arbeiten, habe
Rosa Grünebaum Marie Biermann den Rat
gegeben: „Mariechen, es ist besser für dich, wenn
du nicht mehr kommst“, erinnert sich Tochter
Beate Biermann aus Okarben im Gespräch mit
Hartmut Polzer von der Initiative Stolpersteine.
Nach dem Tod von Max Grünebaum zogen Rosa
und Tochter Beate nach Würzburg. Von dort
flohen sie vor der nationalsozialistischen Verfolgung nach Frankreich, wurden jedoch in den Pyrenäen von deutschen Truppen
gefasst und ermordet.
Für die drei Grünebaum-Schwestern brachen nach dem Tod ihres Bruders und Unterstützers schwere Zeiten an. Am 7. März 1939
mussten sie gemeinsam in das jüdische Altersheim nach Bad Nauheim, das von der „Reichsvertretung der deutschen Juden“
eingerichtet worden war, ziehen. Die beiden benachbarten Häuser in der Frankfurter Straße 63 bis 65, in denen zuvor das
„Israelitische Frauenkurheim“ sein Domizil hatte, waren im Jahr 1937 zum jüdischen Altersheim umfunktioniert worden. Da
jüdische Familien mehr und mehr auswanderten, blieben jene alten Menschen alleine zurück, denen man die Strapazen einer
Auswanderung nicht zumuten konnte. Aus umliegenden Dörfern zogen Senioren dort ein, das Heim musste immer mehr
Menschen aufnehmen und war im Jahr 1941 über belegt.
Am 15. September 1942 wurden 89 Bewohner nach Darmstadt transportiert, von wo aus sie in das Ghetto Theresienstadt bei Prag
deportiert wurden. Unter ihnen befanden sich die drei Grünebaum-Schwestern, die zu diesem Zeitpunkt 84, 82 und 78 Jahre alt
waren. Sophie Grünebaum starb am 1. Oktober, Emilie am 18. Oktober und Lina am 3. November 1942 in Theresienstadt.
Weitere Informationen zu
"Juden in Groß-Karben" >hier
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Parkstraße 23
Hier wohnte Heinrich Clarius...
In der Parkstraße 23 wohnte Heinrich Clarius mit seiner Familie
Heinrich Clarius war Jahrgang 1898 und erlernte den Beruf eines Weißbinders. Er verteidigte sein Heimatland Deutschland im 1.
Weltkrieg und wurde schwer verwundet. Ein Lungenflügel musste ihm entfernt werden.
Da er mit den nationalsozialistischen Ideen und auch entsprechenden Umsetzungen in Groß-Karben nicht einverstanden war,
äußerte er sich auch mutig. In einem Bericht vom 23. Juni 1933 der Bürgermeisterei Groß-Karben ist nachzulesen, dass der von
den Nazis eingesetzte Bürgermeister Flach Heinrich Clarius angedroht hatte, in das KZ Osthofen interniert zu werden, falls er sich
nicht den neuen Machthabern fügen würde.
Im Jahr 1935 kam es dann in der Parkstraße zu einem Eklat. Bürgermeister Flach organisierte eine "Demonstration" vor Heinrich
Clarius Haus, weil dieser von seinen Leuten erneut beobachtet wurde, als er auch bei Juden einkaufte. Ein Wort gab das andere
und so wurde Heinrich Clarius zu einer Geldstrafe von 65 Mark verurteilt, was damals viel Geld war.
Etwa ein Jahr später, Anfang Mai 1936, wurde Heinrich Clarius erneut vom NS-Bürgermeister Flach angezeigt. Obwohl bekannt
war, dass er keiner linksgerichteten Partei oder Organisation angehörte, warf
man ihm vor, marxistische Propaganda betrieben zu haben. Außerdem - so
die Anzeige - hätte er den Führer verhöhnt. Er wurde dann vom 7. Mai bis 2.
August 1936 in das Polizeigefängnis in Giessen gebracht und anschließend
von der Gestapo Giessen in das KZ Dachau verschleppt, wo er im Block 5
interniert wurde.
Seine Kriegsrente, die ihm im Zusammenhang mit der Verwundung im 1.
Weltkrieg zustand, wurde sofort storniert, so dass seine Ehefrau Berta ohne
Einkommen und auf Wohlfahrtsunterstützung angewiesen war.
Erst nach 2 1/2 Jahren Haft wird Heinrich Clarius am 4. November 1938 aus
dem KZ Dachau entlassen und muss sich anschließend jeden Morgen beim
Bürgermeister melden.
Erst nach dem Krieg erhält Heinrich Clarius (aufgrund einer neuen
Beantragung) wieder seine Versorgungsrente, die aus der Verwundung im 1.
Weltkrieg resultiert.
Weitere Informationen unter “Politisch Verfolgte in Groß-Karben >hier
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Heldenberger Straße 1
Hier wohnte Familie (Seppel) Josef Junker...
Bericht der “Frankfurter Neue Presse” am 3.11.2007
von Susanne Krejcik:
In Groß-Karben wurde Josef Junker am 4. August 1881 geboren. Bella Simon erblickte am 22. Juli 1892 in Krofdorf das Licht der
Welt. Die beiden heirateten am 16. August 1920. Sie wohnten in der Heldenberger Straße 1, wo sich heute ein Eiscafé befindet. Das
Ehepaar hatte zwei Töchter: Margot und Ruth.
Margot wurde am 9. Mai 1921 und ihre Schwester Ruth am 8. Januar 1926 geboren. Ihr Vater Josef hatte insgesamt vier
Geschwister, darunter Schwester Rosa, die mit Moritz Rosenthal verheiratet war – über deren Schicksal hat die FNP in einer
früheren Folge berichtet. Josef Junker, der als Viehhändler tätig war, wurde „Seppel“ genannt. Nicht weit entfernt vom Wohnhaus
der Junkers in der Heldenberger Straße befand sich auf der gegenüberliegenden Seite das jüdische Gotteshaus. In der
Pogromnacht am 9. November 1938 wurde die Synagoge ausgeraubt und gegen 21 Uhr angesteckt. Die Scheune von Seppel
Junker ging mit in Flammen auf. Am nächsten Tag rückte der gefürchtete „SA-Sturm Okarben“ erneut in Groß-Karben ein. Alle
männlichen Juden wurden aus ihren Häusern geholt, in das Feuerwehrhaus gesperrt und mit Reitpeitschen misshandelt.
Dann plünderte die SA die jüdischen Häuser und Geschäfte. Sie raubten Wertsachen und zerstörten das Inventar. Möbel wurden
auf die Straße geworfen, die Betten aufgeschnitten und die Federn aus den Fenstern der oberen Stockwerke auf die Straße
geschüttelt. Das perfide Tun nannte die SA „Frau-Holle-Spielen“. Nach der Pogromnacht wurde Seppel Junker gemeinsam mit
seinen Schwagern Moritz Rosenthal und Adolf Hirsch sowie weiteren jüdischen Männern aus Karben für einige Wochen im
Konzentrationslager Buchenwald eingesperrt. Vom 12. November bis zum 15. Dezember 1938 war er dort interniert. „Damit
wollte man den Menschen Angst einjagen und sie zur Ausreise nötigen“, erklärt Hartmut Polzer von der Initiative Stolpersteine.
Am 22. August 1939 zog Familie Junker nach Frankfurt in den Baumweg 35. Mit dorthin nahmen sie Julius Simon, Bellas Vater,
der mit großer Wahrscheinlichkeit dort verstarb. Wie zahlreiche andere Juden aus Dörfern hofften sie, in der Großstadt sicherer
vor Verfolgung zu sein. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht.
Bella und Seppel Junker sind gemeinsam mit ihrer Tochter Margot am 11. November 1941 aus der Wohnung im Baumweg in das
Ghetto Minsk deportiert worden, wo sie ermordet wurden. Nur Tochter Ruth überlebte. Den Eltern war es gelungen, die jüngere
Tochter drei Tage vor ihrem 13. Geburtstag am 5. Januar 1939 auf einen Kindertransport in die Schweiz zu schicken.
Die Fahrt in die Schweiz mit weiteren 100 Kindern rettete Ruth das Leben. Mit dem selben Kindertransport war auch der damals
13-jährige Albert Ross aus Groß-Karben unterwegs, der ebenfalls überlebte.
Weitere Informationen zu
"Juden in Groß-Karben" >hier
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Heldenberger Straße 3
Hier wohnte Familie Moritz Rosenthal
Bericht der “Frankfurter Neue Presse” am 25.07.2007 (von Susanne Krejcik)
Moritz Rosenthal wurde am 7. Dezember 1881 in Langenhain geboren und war von Beruf Ziegenhändler. Er heiratete Rosa, die
am 23. Juni 1878 als Rosa Junker in Groß-Karben geboren wurde. Ihr Vater hieß Isaak Junker, der Name der Mutter geht aus den
vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Moritz und Rosa Rosenthal lebten in der Heldenberger Straße 3.
Das Wohnhaus, in dem sich heute eine Pietät und ein Schreibwarengeschäft befindet, war damals nur wenige Meter von der
Synagoge entfernt. Im Nachbarhaus, Heldenberger Straße 1, lebte Rosas Bruder Josef Junker mit Familie. Am 30. Mai 1920
wurde Sohn Manfred geboren, „Fredi“ genannt. Wie die meisten war Fredi ein durchschnittlicher Schüler. Daran erinnert sich
Else Lampert, die einst mit ihm in einer Klasse der Volksschule Groß-Karben unter dem strengen Klassenlehrer Fritz Boller die
Schulbank drückte. Nach dem Unterricht habe Fredi mit seinem Freund Karl Stelz so manchen Bubenstreich ausgeheckt, weiß die
frühere Mitschülerin zu berichten, die in Groß-Karben lebt.
Nach Gründung einer Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) 1932 sei es mit dem Frieden
zwischen Christen und Juden in Groß-Karben vorbei gewesen, Beschimpfungen und Drangsalierungen nahmen zu, schreibt
Helmut Heide in „Zur Geschichte der Groß-Karbener Juden“. Den Rosenthals gelang es, für ihren 18-jährigen Sohn Fredi eine
Schiffs-Passage in die USA zu bekommen, so dass er knapp drei Monate vor der Pogromnacht am 17. August 1938 nach New York
auswandern konnte. Einen Tag nach der Pogromnacht, am 10. November
1938, sei der SA-Sturm Okarben nach Groß-Karben eingerückt, habe
sämtliche männliche Juden aus ihren Häusern geholt, ins Feuerwehr-
Spritzenhaus eingesperrt und misshandelt. Anschließend seien die Häuser
geplündert und das Inventar zerstört worden, schreibt Heide. Moritz
Rosenthal konnte nach Petterweil fliehen, wo er am nächsten Morgen von
Bauer Richard Cost im Feld gefunden wurde. Vom 12. November bis zum
14. Dezember 1938 war Moritz Rosenthal im Konzentrationslager (KZ)
Buchenwald interniert.
„Die Verhaftung zu jenem Zeitpunkt hatte das Ziel, die Menschen
einzuschüchtern und sie zur Ausreise zu bewegen“, erklärt
Hartmut Polzer von der Initiative Stolpersteine. Nach
seiner Rückkehr nach Groß-Karben wurde er zur
Zwangsarbeit im Tiefbau verpflichtet, wovon die von der
„Bürgermeisterei“ auf den Namen Moritz „Israel“
Rosenthal ausgestellte „Personalkarte“ aus jener Zeit
zeugt. Am 15. September 1942 wurde das Ehepaar Moritz
und Rosa Rosenthal gemeinsam mit Lea Weinberg aus
Rendel (FNP vom 19. Juli) und weiteren Kärber Juden
zunächst nach Friedberg und dann in ein Sammellager
nach Darmstadt transportiert. Von dort wurden sie am
27. September 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert.
Dort starb Moritz Rosenthal am 6. April 1944.
Rosa Rosenthal überlebte. Nach der Befreiung
Theresienstadts durch die Rote Armee am 8. Mai 1945
kam sie für kurze Zeit nach Frankfurt, bevor sie zu ihrem
Sohn Fredi in die USA zog. Dort starb sie Anfang der
1950er-Jahre.
Das letzte Lebenszeichen des Sohnes stammt aus dem
Jahr 1993 aus New York. „Manfred Rosenthal wäre heute
87
Jahre alt. Ob er noch lebt, wissen wir nicht“, erklärt
Polzer.
Haus geplündert und demoliert --- Bericht der "Karbener Zeitung am 1. Mai 2014
Moritz Rosenthal, geboren am 7. Dezember 1881 in Langenhain, war von Beruf Ziegenhändler. Mit seiner Frau Rosa, geboren am 23. Juni 1878
in Groß-Karben, lebte er in der Heldenberger Straße 3, nur wenige Meter von der Synagoge entfernt.
Im Nachbarhaus lebte Rosas Bruder Josef Junker mit seiner Familie.
Karben. Am 30. Mai 1920 kam Moritz’ und Rosa Rosenthals Sohn Manfred, genannt „Fredi“, zur Welt: Er war der einzige aus der Familie, dem
nach der „Machtergreifung der Nationalsozialisten die Auswanderung gelang.
Am 17. August 1938, gerade noch rechtzeitig, emigrierte der 18-Jährige nach New York.
Nach der Pogromnacht wurde Moritz Rosenthal, nachdem das Haus geplündert und demoliert worden war, vom 12. November bis 14. Dezember
im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Als er nach Groß-Karben zurückkehrte, wurde er zur Zwangsarbeit im Tiefbau verpflichtet. Am 9.
September 1942 füllten er und seine Frau Rosa die sogenannten Vermögenserklärungen aus: Sie verzeichnen einige Möbel, eine Nähmaschine,
ein Fahrrad, einen Kohlenkasten, eine Waage, Kochtöpfe, Federbetten, Matratzen, Holz sowie etwas Bekleidung und vermitteln einen Eindruck
von der Armut, in der das Ehepaar gelebt hatte. Sechs Tage später wurden beide über Friedberg in ein Sammellager nach Darmstadt gebracht und
von dort aus am 27. September nach Theresienstadt deportiert, wo Moritz Rosenthal am 6. April 1944 starb.
Das Vermögen des Ehepaares wurde schließlich vom Finanzamt Friedberg verwertet. Der Hausrat wurde versteigert und erbrachte 428
Reichsmark für das „Reich“. Das Haus wurde ab Februar 1943 durch die Gemeinde Groß-Karben genutzt, die es 1946 auf Befehl der
Militärregierung instand setzte: Rosa Rosenthal hatte Theresienstadt überlebt und war nach Frankfurt zurückgekehrt. Sie wanderte zu ihrem Sohn
Fredi in die USA aus, wo sie Anfang der 1950er-Jahre starb. (kop)
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"Juden in Groß-Karben" >hier
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Heldenberger Straße 8
Hier wohnte die Familie Adolf Strauss
Bericht der “Frankfurter Neue Presse”
am 21.06.2016 (von Susanne Krejcik)
Karben. Vor dem Haus in der Heldenberger Straße 8, am früheren Wohnsitz der Familie, werden Stolpersteine verlegt für Adolf
und Ida Strauss, ihre Kinder Liselotte und Walter sowie für die Großmutter der Kinder, Adolfs Mutter Bertha Strauss. Die Familie
Adolf Strauss gehört zu jenen jüdischen Bürgern Karbens, die durch frühzeitige Auswanderung dem drohenden
Konzentrationslager entkamen.
„Mit der Verlegung der Stolpersteine in Erinnerung an die
Familie Strauss wird erneut deutlich, dass die Ausgrenzung
der Juden in Groß-Karben schon sehr früh begann und
einige durch die Flucht ins Ausland ihr Leben retten konnten“,
sagen Irma Mattner und Hartmut Polzer von der Initiative
Stolpersteine in Karben.
Adolf Strauss wurde am 5. Mai 1890 in Groß-Karben als
Sohn von Bertha und Markus Strauss geboren. Er heiratete
Ida Strauss, geboren am 30. Januar 1894 in Laaspe in
Niedersachsen als Ida Buss. Ihre Kinder kamen beide in
Groß-Karben zur Welt: Liselotte am 16. Februar 1921 und
Walter am 13. Februar 1926. Familienvater Adolf Strauss
betrieb in der Heldenberger Straße 8 ein Geschäft für
„Manufaktur-, Woll- und Weiß-Waren, Bettfedern, Damen-
und Herren-Konfektion“. Am 5. März 1936 wanderte die Familie samt Oma Bertha – Großvater Markus Strauss war bereits 1903
verstorben – in die USA aus.
Die Familie sei weit verzweigt gewesen, sagt Polzer. Und zeigt einen Stammbaum aus der Chronik „Groß-Karben und seine
Juden“ von Helmut Weigand. Auch Adolfs Bruder Julius aus der Ludwigstraße 14 hat mit seiner Frau Rosa Strauss am 14.
Oktober 1936 Karben in Richtung USA verlassen. Die Brüder standen dort in enger Verbindung, was aus einem Brief hervorgeht.
Adolf Strauss’ Cousin Max Strauss aus der Wilhelmstraße 7 gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Männergesangvereins
Frohsinn und wurde 1930 bei den Feiern zum 25-jährigen Stiftungsfest noch für seine 25-jährige Mitgliedschaft geehrt. Acht Jahre
später konnte er sich mit seiner Ehefrau Recha und den Kindern Berthold und Manfred ebenfalls durch Auswanderung retten.
Max’ Sohn Berthold nahm am Empfang ehemaliger jüdischer Bürger der Stadt Karben im Jahr 1993 teil. Fotos und Briefe geben
Einblicke in das Leben von Familie Adolf Strauss nach dem Auswandern in die USA. So ist Liselotte Strauss als verheiratete Lilien
Neuhaus mit ihren Kindern und den Großeltern zu sehen. Ein Foto zeigt Opa Adolf Strauss neben seinen Enkeln, die fröhlich in
einer Hängematte schaukeln.
.
Eine in den 1920er-Jahren begonnene Brieffreundschaft zwischen Ida Strauss und Anna Hess in der Bahnhofstraße 8 dauerte
auch nach der Emigration an. Sie „endete erst mit dem Tod von Anna Hess im Jahr 1957“, schreibt Weigand. In einem Brief an
Anna Hess aus dem Jahr 1955 erzählt Ida Strauss von familiären Neuigkeiten. So hätten sie ihren Geburtstag „im neuen Haus“
gefeiert. „Es gefällt uns gut“, schreibt sie...
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"Juden in Groß-Karben" >hier
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Heldenberger Straße zwischen Nr. 10+14
Hier stand die Synagoge
der jüdischen Gemeinde Groß-Karben
Bericht der “Frankfurter Neue Presse”
am 10.11.2012 (von Susanne Krejcik)
Bei der Pogromnacht im November 1938 kam es wie in
anderen hessischen Dörfern auch in Groß-Karben und
Rendel zu Ausschreitungen und Angriffen gegen
jüdische Bürger sowie zu Verhaftungen. Hartmut Polzer
und Irma Mattner von der Initiative Stolpersteine ist es
ein Anliegen, anlässlich des Jahrestages an die Menschen,
aber auch an die Zerstörung des jüdischen Gotteshauses
in Groß-Karben zu erinnern.
"Die Pogrome fanden in Karben am 10. November statt",
erklärt Hartmut Polzer. Viele jüdische Männer waren
einen Tag zuvor verhaftet und ins Konzentrationslager
Buchenwald gebracht worden.
Zurück blieben Frauen, Kinder und alte Menschen, die
dem plündernden Mob keinen Widerstand entgegensetzten.
"So gegen 17 Uhr kamen mehrere SA-Männer. Sie haben meine Einrichtungsgegenstände zerstört und die Fenster eingeschlagen.
Ich saß weinend im Hof und war derart aufgeregt, dass ich genaue Einzelheiten nicht mehr schildern kann". Dies gab Rosa
Rosenthal aus der Heldenberger Straße 3 in Groß-Karben am 15. Juli 1946 zu Protokoll. Sie hat den Holocaust überlebt und zog
nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA.
Bei der geplanten Aktion – durchgeführt von Mitgliedern der NSDAP-Ortsgruppe, der "Sturmabteilung" SA sowie unter
Beteiligung von Bürgern – wurde auch die Synagoge in der Heldenberger Straße 10 angezündet. "Zuvor wurde das Innere samt
Thorarollen geplündert", sagt Hartmut Polzer.
"Auf Anweisung von Bürgermeister Heinrich Flach durfte die Feuerwehr die Synagoge nicht löschen, sondern sollten lediglich ein
Übergreifen des Feuers auf die benachbarten Häuser verhindern", sagt Polzer. Auch die Scheune von Seppel Junker, die sich auf
der gegenüberliegenden Seite der Heldenberger Straße befand, brannte nieder. Nach diesen Ereignissen versuchten viele jüdische
Familien, aus Karben zu fliehen.
Errichtung von Synagogen
Helmut Heide, Mitglied im Karbener Geschichtsverein, hat sich bei seinen Recherchen zur Karbener Geschichte auch mit der
Geschichte der Juden beschäftigt. So sei den Juden im damaligen Freigericht Kaichen vom regierenden Friedberger Burgregiment
am 4. September 1739 – nach mehreren zuvor abgelehnten Ersuchen – die Errichtung einiger Gotteshäuser erlaubt worden. Den
Recherchen zufolge wurde die Groß-Karbener Synagoge entweder 1840 oder 1872 erbaut.
Heide erinnert sich an ein Gespräch mit zwei Frauen, die einen Einblick ins Innere der Synagoge bekommen hatten. "Sie haben
von einem herrlichen Vorhang geschwärmt, der vor dem Thoraschrein gehangen habe", sagt er. "Die Männer hatten unten ihren
Eingang, und die Frauen saßen oben, streng getrennt voneinander, wie es in der damaligen Zeit üblich war", sagt Heide.
Leider gebe es weder Fotos vom Äußeren noch vom Inneren aus der Zeit, als die Synagoge unversehrt war, erzählt Polzer. Eine
Vorstellung davon, wie das Gotteshaus ausgesehen hat, vermitteln Foto und Skizze von Edgar Braun aus Groß-Karben. Ende Mai
1945 fuhr er in seine Geburtsstadt Karben und fotografierte die Ruinen der Synagoge in der Heldenberger Straße 10. Später
fertigte er dann eine Skizze aus der Erinnerung heraus an.
Bilder/Fotos und weitere Informationen zur Synagoge >>>hier
Informationen zur “Kristallnacht” in Groß-Karben >>>hier
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Wilhelmstraße 3
Hier wohnte Moritz und Klara Roß...
Bericht der “Frankfurter Neue Presse” am 15.08.2007 (von Susanne Krejcik)
Moritz Roß’ Vater Nathan wurde am 26. Februar 1859
als Sohn von Löb Roß in Groß-Karben geboren.
Er heiratete Lina, geborene Strauss, ebenfalls aus Groß-
Karben. Lina starb 1922, Nathan 1936. Beide Eltern
lebten bis zu ihrem Tod im Haus in der Wilhelmstraße 3.
Sohn Moritz wird am 22. Juni 1888 in Groß-Karben
geboren. Ob er Geschwister hatte, geht aus den
Unterlagen nicht hervor. Moritz Roß bewohnt das Haus
Wilhelmstraße 3, das sich seit 1850 nun in der dritten
Generation im Besitz seiner Familie befindet. Von Vater
Nathan übernimmt er die Manufakturenhandlung, in der
die Groß-Kärber neben Kurz- und Textilwaren auch
Schuhe kaufen können. So erinnert sich Karl Krieg,
Ehrenortsvorsteher von Groß-Karben, dass Moritz Roß
beim Preis für Lederschuhe, die seine Mutter für ihn
kaufen wollte, mit sich reden ließ.
Als Soldat im Ersten Weltkrieg erleidet Roß eine
Verletzung, aufgrund derer das linke Bein vom
Oberschenkel an amputiert werden muss. Für den
Einsatz für das Vaterland wird er mit dem Eisernen
Kreuz ausgezeichnet.
Am 15. September 1919 heiratet Moritz Klara,
geborene Fuld. Sie stammt aus Himbach.
In den folgenden Jahren bleiben die Kontakte zu Klaras Verwandtschaft bestehen. Als die jüdische Gemeinde Himbachs 1931 eine
Synagoge bauen möchte, leiht sie Geld bei Moritz Roß.
Seinen Kunden in Okarben, Bad Vilbel, Himbach oder Gründau stattet Moritz Roß zunächst mit einem aufgrund seiner
Beinprothese eigens konstruierten Fahrrad Besuche ab. Später sucht er seine Kundschaft mit dem Auto auf. In Groß-Karben ist er
Mitglied im Männergesangverein Frohsinn. Zudem spielt er mit den Nachbarn Skat. Das Ehepaar bleibt kinderlos.
Aufgrund zunehmender Repressalien gegen Juden bemühen sich Moritz und Klara wie viele andere auch um eine Auswanderung.
So sei Moritz Roß etwa 1935 für kurze Zeit in Palästina gewesen, schreibt Autorin Gisela Lorenzen aus Ronneburg in den
„Streiflichtern“, Band zwei. Er sei mit der Erkenntnis zurück gekehrt, dass er dort aufgrund seiner Kriegsverletzung nicht leben
könne. Als Folge der „Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ von 1938, die die Registrierung und Kennzeichnung verlangte,
meldet Moritz Roß sein Geschäft in Groß- Karben ab. Schon in den Jahren zuvor war zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen
worden.
Er und Ehefrau Klara ziehen im Dezember 1938 nach Frankfurt in die Herderstraße 25. Die Bemühungen um Ausreise scheitern,
weil kein Land bereit ist, Moritz Roß als Kriegsversehrten aufzunehmen, wie er selbst im Jahr 1939 auf eine Anfrage erklärt. Ein
Jahr später zieht Klaras Schwester Lilli samt Familie aus Himbach mit in die Frankfurter Wohnung ein, für die Roß Miete zahlen
muss. Zudem fehlen die Einnahmen aus dem Geschäft, so dass die finanzielle Situation des Ehepaares immer prekärer wird.
Davon zeugt ein Schreiben von Moritz Ross vom November 1939 – nachzulesen im Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden –, adressiert
an die Devisenstelle in Frankfurt, in dem er um eine höhere monatliche Zuwendung bittet. Das eigene Guthaben war aufgrund
einer „Sicherungsanordnung“ seit August 1938 auf einem Sperrkonto festgelegt, von dem das Ehepaar monatlich lediglich 200
Reichsmark abheben durfte.
Im Jahr 1941 wird die Familie von Moritz Roß’ Schwager samt der neun und zwölf Jahre alten Kinder Ilse und Arnim ins
litauische Ghetto Kaunas deportiert und erschossen.
Am 15. September 1942, ihrem 23. Hochzeitstag, werden Klara und Moritz Roß mit dem Zug ins Ghetto Theresienstadt
verschleppt. Von dort werden Klara und Moritz Roß am 6. Oktober 1944 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und
ermordet.
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"Juden in Groß-Karben" >hier
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Wilhelmstraße 16
Hier wohnte Familie Adolf Hirsch...
Bericht der “Frankfurter Neue Presse”
am 09.11.2005 (von Susanne Krejcik)
„Wählen Sie sorgfältig und überlegt den Inhalt Ihres Koffers,
damit nicht überflüssige Gegenstände wie Bücher und Andenken
notwendigem Gebrauchsgut Platz und Gewicht wegnehmen.“
Dieses von der Bezirksstelle Hessen der „Reichsvereinigung der
Juden in Deutschland“ verfasste Schreiben an Minna Bamberger
aus Nieder-Wöllstadt ist erhalten und wird im Stadtarchiv
Butzbach aufbewahrt. Eine solche Aufforderung erhielt auch
Familie Hirsch aus Karben etwa zehn Tage vor ihrer Deportation
im September 1942, die zwecks Tarnung als „Umsiedelung“
bezeichnet wurde.
Das hat Monica Kingreen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt bei Recherchen heraus gefunden.
... Dafür ist sie monatelang auf Spurensuche nach vergessenen
Kindern und Familien aus Karben und ganz Oberhessen gegangen.
Beim Fritz-Bauer-Institut betreibt sie das Projekt „Erinnerung vor
Ort“.
Adolf Hirsch, damals 60 Jahre alt, lebte bis 1942 mit Ehefrau Antonie (53) und den beiden Kindern Erich, geboren im Februar
1925, und Marga, geboren im Juli 1923, in
Karben. Die Geschwister hatten zuvor bereits die Staatliche Schule
verlassen müssen und fuhren täglich mit dem Zug nach Bad
Nauheim in die jüdische Bezirksschule, eine Selbsthilfeeinrichtung
für jüdische Kinder mit angegliedertem Internat. Dort wollte man
sie vor Diffamierung schützen.
Kingreens Recherchen zufolge erinnern sich Karbener Bürger
daran, dass Erich gemeinsam mit dem Vater zur Zwangsarbeit
eingesetzt worden war, allerdings ist der Ort nicht bekannt.
Familie Hirsch wurde am 15. September 1942 mit zwei weiteren
Verwandten und anderen Karbenern in ein Sammellager in die
August-Zinn-Schule in Friedberg gebracht.
...
Von Friedberg aus wurde die Familie in ein zentrales Sammellager
nach Darmstadt gebracht. Dort wurden Eltern und Kinder nach
mehrtägigem Aufenthalt auseinander gerissen. Die Eltern wurden
am 27. September in einem Zug mit 1288 Menschen in das Ghetto
Theresienstadt bei Prag transportiert. „Im völlig überfüllten
Ghetto blieben die Menschen teils sich selbst überlassen,
Durchfallepidemien brachen aus“, sagte Kingreen. Die ebenfalls
aus Karben stammende Lea Weinberg (73) starb dort am
10. Dezember. Nach zwei Jahren im Ghetto, in denen Antonie
Hirsch mit der Ungewissheit lebte, nicht zu wissen, wie es ihren
Kindern geht, starb sie am 13. August 1944. Adolf Hirsch wurde
am 9. Oktober 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
transportiert.
Die Spur der Geschwister Erich und Marga verliert sich bei einem Transport vom 30. September 1942. „Es ist anzunehmen, dass
der Zug direkt ins Vernichtungslager Treblinka fuhr“, erläutert Monica Kingreen. „Von den 883 Menschen dieses Transportes hat
keiner überlebt.“
Insgesamt wurden in den Jahren 1941 und 1942 mehr als 15 500 jüdische Bürger aus den damaligen hessischen Gebieten
deportiert.
...
„Das Schicksal der Menschen“, weiß Kingreen, „die einst das dörfliche und städtische Leben in unserer Region prägten, ist
weitgehend nicht im öffentlichen Bewusstsein.“
...
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Wächtergasse 6
Hier wohnte Franziska Strauß...
Hier wohnte Franziska Strauß (*19.8.1888 in Groß-Karben). Sie
war die Tochter von Daniel und Bertha Strauß, die in sehr ärmlichen
Verhältnissen lebten. Das damalige sehr kleine Häuschen steht
nicht mehr, auch gibt es heute keine Hausnummer 6 mehr.
Franziska Strauß reinigte die Räume in der Synagoge und lebte
von der Unterstützung durch die Jüdische Gemeinde in Groß-
Karben.
Sie wurde am 15.9.1942 hier von zu Hause abgeholt, dann nach
Friedberg in die Augustinerschule und einige Tage später in das
Sammellager in Darmstadt gebracht. Am 30. September wurde sie
zusammen mit den beiden Kindern der Familie Hirsch aus der
Wilhelmstraße in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und
ermordet.
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